Premiere der Oper „Wallenberg“ am Badischen Staatstheater Karlsruhe
Karlsruhe. Bitter ist die Realität, zynisch die Politik. Wie bitter und wie zynisch, davon erzählt die Oper „Wallenberg“, die am Badischen Staatstheater Karlsruhe Premiere hatte. Der estnische Komponist Erkki-Sven Tüür und der Textdichter Lutz Hübner beleuchten in einer Reihe kurzer Szenen die Eckpunkte des Lebens von Raoul Wallenberg.
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Als schwedischer Diplomat in Budapest rettete Wallenberg während des Zweiten Weltkriegs Tausenden verfolgten Juden das Leben. Er selbst wurde 1945 von der Roten Armee verschleppt, ob wegen Spionageverdachts oder, um als Faustpfand für Verhandlungen mit dem Westen zu dienen, ist genauso ungeklärt wie Wallenbergs Schicksal. 1947 verliert sich seine Spur in dem berüchtigten Moskauer Foltergefängnis Lubjanka.
Als Opernthema ist das heikel, denn diese Vergangenheit liegt noch beunruhigend nahe.
Rainer Sellmaier schuf ein multifunktionales Bühnenbild: Aktenschränke, eine Pritsche, ein Bretterverschlag, Altbautüren vor einem gefängnisgrauen Hintergrund. Alle Zutaten für eine beklemmende Atmosphäre sind vorhanden.
Regisseur Tobias Kratzer wollte in seiner Inszenierung in Richtung Fabel gehen und setzte den bösen Nazis hässliche Schweinemasken auf. Das diplomatische Korps besteht aus drei Frauen, die im Bunny-Kostüm über die Bühne trippeln.
Schön böse gelingt der Schluss. Der US-Präsident, angetan mit Cowboyhut und Rinderhörnern, ernennt das von Matthias Wohlbrecht eitel und selbstgefällig dargestellte Heldenbild von Wallenberg zum US-Ehrenbürger.
Was von ihm übrigbleibt, passt in eine Ausstellung. Judenrettung und russische Haft fallen dagegen nur plakativ aus, ohne richtigen Biss. Wahrscheinlich fehlt der nötige Abstand, um wirklich künstlerisch frei damit umgehen zu können.
Intensives Spiel
Getragen wird die Oper vom intensiven Spiel des Ensembles und des Chors. Tobias Schabel gibt einen idealistischen Wallenberg, der im Wettlauf gegen die Zeit so viele Menschen rettet wie er nur kann. Die Oper sorgt für mehrere direkte Konfrontationen mit Eichmann, dem Judenverfolger. Renatus Meszar verleiht dieser Figur eine gruselige zynische Verspieltheit. Zu den wenigen musikalisch herausgehobenen Momenten gehört der eindringliche Chorsatz der verfolgten Juden nach einem Text aus dem Alten Testament.
Ansonsten drängt sich die Musik in „Wallenberg“ nicht in den Vordergrund. Wenig wirklich Gesangliches, eher eine Art gehobenen Sprechgesang, hat Tüür für die Sänger geschrieben. Absolut passend zur Handlung, aber nichts, was konventionelle Opernfans begeistern dürfte.
Unter der Leitung von Johannes Willig sorgt die Badische Staatskapelle für ein oszillierendes, rhythmisch geschliffenes Musikfundament. „Wallenberg“ ist auf jeden Fall eines: Stoff zum Nachdenken.
Autor: Nike Luber
Uudised
Nike Luber. "Premiere der Oper "Wallenberg" am Badischen Staatstheater Karlsruhe". – www.pz-news.de, 08.07.2012
08.07.2012